Samstag, 17. September 2011

fünfzehn bis zwanzig

Inlinern ist doch auch schon seit ein paar Jahren out. Fast schon so fünfzehn Jahre sind die out die Inliner, zumindest für Menschen jenseits der Zwanziger. Eine Tatsache, die einen Menschen mit so fünfzehn bis zwanzig Kilo Übergewicht nicht daran hindert, sich im Klimax (altgriechisch für “Höhepunkt” aber das nur so nebenbei), sich also im Klimax seiner Midlife Crisis nicht daran hindern die Dinger wieder unterzuschnallen.

Ob es jetzt nur das Übergewicht oder die Midlife Crisis war, die mich veranlasst hat mich nochmal auf Inliner zu stellen, weiß ich nicht. Fakt ist jedoch, dass ich wohl ziemlich lächerlich ausgesehen haben muss, mit meiner oldschool Shorts, meinen oldschool Knie- und Ellenbogen Schützern. Wackelig und lange nicht so souverän wie ich mir das vorgestellt habe bin ich dann mal losgewackelt. Kein schienenartiges fast schwereloses Dahingleiten, vielmehr ein unsicheres und den Unwägbarkeiten einer ziemlich aggressiv gebärdenden Erdanziehungskraft geschuldeten herumgestaxe. Immer darauf bedacht meinen beiden Handgelenken nicht zumuten wollen, meinen fettleibigen Körper im Fallen abfangen zu müsse. Gerade so Trümmerbrüche sind doch eine große orthopädische Herausforderung.

Erst mal aus dem sichtbaren Bereich vorm Haus weg, hinten raus auf die Felder. Im Augenblick sehe ich noch keine Passanten Weit und Breit keine Seele. Dies ändert sich, als ich links Richtung Schießsportzentrum abbiege. Ein menschliches Pacecar in Form eines Alten mit Rollator begleitet von seiner nicht minder alten Gattin brauchen den ganzen Weg für sich – ich auch. Ich huste sie zur Seite, die Masse ist in Bewegung, der Weg steigt an, “No One Can Stop Me Now “ ich brauch den Platz. Wenngleich die Bewegungen schon längst nicht mehr so ausholend sind, die Steigung beträgt doch bestimmt mehr als ein Halbes Prozent und das Übergewicht… – Ich transpiriere. Nur das Wissen über die Parkbank da vorne läßt mich noch weiter machen. Dann setzte ich mich erschöpft hin. Die ersten dreihundert Meter sind geschafft.

Schon nach einer knappen halben Stunde ist mein Puls wieder auf ein erträgliches Maß gefallen. Ich muss weiter, zumal die Alten schon fast bei meiner Bank angelangt sind. Jetzt aber auf direktem Wege Nachhause zu fahren verbietet der Stolz. Ich fahre im Winter auch nicht mit der Seilbahn den Berg runter, solange auf der Talabfahrt noch Schneefragmente zu finden sind. Unter der Umgehungsstraße durch geht’s kurz runter, ich hol Schwung. Was will der Alte da vorne mit den beiden Stöcken und dem Fernglas ? Ein Spanner ? Nordic Stalking ? Die Frage bekomme ich heute nicht mehr gelöst. Ein Puls der den Kardiologen meines Vertrauens beunruhigen würde, veranlasst mich, mich auf einen Rückweg zu machen, der mir eine Heimkehr in Würde ermöglicht.

Vorbei am Schmidener Sportplatz, die vierbeinige Scheißhaufenmaschine sucht Schutz bei Herrchen und Frauchen, zu furchteinflösend walze ich vorbei. Zwei Kinder hüpfen auf die Seite, Übergewicht, früheres Rauchen und das stampfen der Inliner auf dem Asphalt lässt sie Deckung suchen.
“No more speed I’m almost there” (Radar Love – Golden Earing), ich werde ruhiger, fast schon euphorisch lasse ich es rollen, jetzt Nachhause, der Wind kühlt in Kombination mit dem Schweiß den Körper, der Weg führt bergab, ich werde schneller, dass ich noch immer nicht richtig bremsen… Was ist das da vorne ? Ein Vater mit zwei Kids fährt mit Fahrrädern in den Weg rein, scheinbar Engländer, sie fahren auf der linken Straßenseite, gut dann nehm ich auch dem Feldweg die andere Seite. Der Tüp mit seinen Bälgern auch. Bei geschätzten zwanzig Stundenkilometern, wechsle ich nochmals die Straßenseite. Wieso die drei Spacken fast die ganze Breite brauchen bleibt mir rätselhaft.

Das ich Probleme mit dem bremsen… der Vollpfosten wechselt schon wieder die Seite, seine Tochter auch, ich natürlich auch, irgendwie muss ich vorbei. War es Vorsatz ? Wusste er was er da für einen Mist gezeugt hat, ist er mit Absicht auf den Feldweg gefahren ? Am Begegnungspunkt jedenfalls kreuzt das kleine Arschloch, das vermutlich sein Sohn oder wenigstens der Sohn seines Briefträgers ist, meinen Weg. Junge, weg da, auf Dich rollen gerade mehr als neunzig Kilo mit mehr als zwanzig Stundenkilometern zu, du bist platt, du wirst deinen fünften Geburtstag im Krankenhaus verbringen – weg da. Vermutlich hat er die Dummheit vom Vater geerbt, er geht nicht weg. Ich kann nicht bremsen !!! Weg oder Du bist tot !!!

Ich vermeide die Kollision mit dem Bonsai Volldepp und weiche in den Acker daneben aus. Zuhause erfahre ich aus dem Radio, dass die Physikalisch Technische Bundesanstalt in Braunschweig meinen Einschlag registriert und mit fünf auf der nach oben offenen Richterskala bewertet hat. Die Schneise die ich in den Acker fräse lässt noch Tage später die Beobachter an die Notlandung eines A380 denken. Wenn es rechtzeitig angemeldet hätte, hätte ich einen neuen Guiness Rekord in Saltos am Stück einreichen können. Mein aktiver Fluchwortvorrat hat sich soeben potenziert. Ich sortiere die Knochen, komme zu mir.

Die Arschlochfamilie ist weitergeradelt. Ich möchte sie töten

Die Knie-, Ellenbogen- und Handprotektoren sind, wie ich auch über und über mit Lehm verschmiert. Die Klumpen an den Füßen scheinen die Inliner zu sein, die Shorts haben einen Riss. Bis auf die Shorts entsorge ich Alles vor Ort, soll der Bauer den Mist unterpflügen. Auf Socken geht’s nach Hause.

Ich bin zu alt für diese Scheiße

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