Dienstag, 26. Dezember 2023

Herbei, o ihr Gläubigen

Traditionell sind wir am 2. Weihnachtsfeiertag in der Pauluskirche in Ulm bei Siyous Gospelkonzert. Diesmal mit gebrochenem hochzulegendem Sprungelenk. Es ist familiär, leger, Siyou, ihre 3 Mitsänger, Schlagzeug und Keyboard. Barfuß und voller Freude steht sie auf der Bühne singt Weihnachtslieder und Gospel.

Als Herbei, o ihr Gläubigen auf englisch gesungen wird, hat es mich dann beim Refrain (O lasset uns anbeten) doch gerissen, es war Hans' Lieblingsweihnachtslied, mir schossen die Tränen in die Augen, ich war traurig. Das hat es mir dann möglich gemacht, mit seinem Tod abzuschließen, eine Ära war zu Ende.


Dienstag, 19. Dezember 2023

krankgeschrieben

Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig man (ich) gebacken bekommt, wenn man mit gebrochenem Fuß krankgeschrieben zuhause sitzt.

Montag, 18. Dezember 2023

Kugelschreiber

Seit ich ihn kannte, trug mein Vater stets mindestens einen Kugelschreiber bei sich. Da er fast ausschließlich Hemden trug, befand sich in der linken Hemdtasche immer ein Kugelschreiber. Egal, wo er sich aufhielt, sobald es etwas zu schreiben oder zu unterschreiben gab, zückte er seinen Kuli.

Das letzte Mal, als ich ihn sah, lag er im Wohnzimmer auf dem Sofa. Er war krank und trug seinen Schlafanzug und eine Wollweste. Ich half ihm, sich in eine sitzende Position zu begeben. Obwohl er dement und geschwächt war, suchte er auf dem Couchtisch nach seinen Sachen. Das Telefon wurde kurz zurechtgerückt, die Zeitung ebenfalls, und dann war da noch der Kugelschreiber. Er versuchte, den Kuli in seine nicht vorhandene Brusttasche zu stecken. Ich erklärte ihm, dass er keine Brusttasche habe, und schlug vor, den Kuli liegen zu lassen. Ich würde ihn zum Esstisch bringen. Er ließ es jedoch nicht zu, fast nach dem Motto "nicht ohne meinen Kuli", versuchte er immer wieder, den Stift einzustecken. Ich half ihm auf die Beine, und er tippelte die paar Schritte zum Esstisch, den Kugelschreiber fest in der Hand. Gemeinsam tranken wir Kaffee. Unbeirrt versuchte er es immer wieder. Fast wie eine Katze, der man ein Spielzeug an den Schwanz gebunden hat, versuchte er unentwegt das Unmögliche.

Drei Tage später ist er friedlich eingeschlafen. Wir haben ihn mit einem Kugelschreiber im Hemd beerdigt.


Donnerstag, 14. Dezember 2023

Stuhlgang II

 Entlassungstag: Die liebe Auszubildende wagt es, in einem Augenblick der Ungezwungenheit zu erkunden, wann ich zuletzt das Privileg eines erfolgreichen Toilettengangs genossen habe. Ganz unverblümt gestehe ich: seit meiner OP vor 4 Tagen war da leider Funkstille. Ihre Verlegenheit steigt, als wäre sie auf der Suche nach dem verlorenen Schatz, und sie zieht sich kurz zurück.

Doch sie kehrt zurück, um mir mitzuteilen, dass meine Freiheit in weiter Ferne liegt, solange mein Darm im Standby-Modus verharrt. "Kein Entlassen ohne Beweis eines ordentlichen Stuhlgangs", verkündet sie, als ob das der Schlüssel zur Eingangstür wäre. Schade, denke ich, dass ich nicht eine kleine Schwindelei eingebaut habe, teile ich ihr augenzwinkernd mit.

Plötzlich taucht sie mit zwei Zäpfchen bewaffnet auf und fordert mich auf, beide auf einmal zu nehmen. Ein Versprechen, das ich ohne große Gegenwehr abgebe. Die Frage, ob ich schon mal Zäpfchen eingeführt habe, liegt in der Luft.

Ihre Verlegenheit steigert sich, als sie mit sanfter Dringlichkeit erklärt: "Die Zäpfchen müssen nach hinten rein, richtig tief rein – also so richtig tief." In diesem Moment verdeckt sie ihren Mittelfinger, als wäre er ein streng gehütetes Geheimnis, während sie die exakte Vorgehensweise zu verdeutlichen versucht. Nach einem weiteren "tief rein" wirkt sie erleichtert, als ich ihr mit einem "danke, ich versuche das selbst" signalisiere, dass ich die Aufgabe eigenhändig übernehmen werde.

Humpelnd begebe ich mich zur Toilette, die zwei Zäpfchen fest in meiner Hand. Die Auszubildende drückt sie mir mit einem spürbaren Gefühl der Erleichterung in die Hand und verlässt fluchtartig den Raum.

In dankbarer Erinnerung an die Auszubildende und mich selbst, die wir uns diese peinliche Situation erspart haben, verinnerliche ich das erste Zäpfchen. Doch beim Versuch, das zweite zu entpacken, wird es zum unfreiwilligen Projektil und durchquert das Bad in hohem Bogen. Mit meinen Krücken ist da an eine Verfolgung nicht zu denken. Der Notknopf wird meine Rettung.

Eine andere Krankenschwester betritt die Bühne, ich mit halb heruntergelassener Hose, und bitte sie, das entflohene Zäpfchen zu bergen und aus seiner Verpackung zu befreien. Auch sie zeigt sich hilfsbereit. Dankeschön. Durch die nur halb geschlossene Tür gibt sie mir noch einen letzten Ratschlag mit auf den Weg: "Andersrum, also mit der stumpfen Seite nach vorne, die Spitze nach hinten einführen." "Okay, man lernt nie aus. Ich hab's anders gemacht, aber mit der 2, sind die dann ja quasi Arsch an Arsch."

Nach 20 Minuten Drama zeigt sich, dass ich nicht allzu viele Fehler begangen habe.

Montag, 11. Dezember 2023

sicher ist sicher

heute ist meine 2. OP, die Ärztin sagt mir das, frägt mich nochmal nach meinem Name und Geburtsdatum und was gemacht werden solle. Sie malt mit einem einem Stift ein Kreuz im Kreis auf mein Bein. Dass da nicht irgend etwas falsch operiert wird. 

 ...nicht dass man den Fixateuer für in 60 Jahren natürlich gewachsen hält und drin lässt



Sonntag, 10. Dezember 2023

riesen Unverschämtheit

Sonntagmorgen im Krankenhaus, nur eine kurze Visite mit der Ärztin, der Krankenschwester und dem Pflegeazubi. Alles ist in Ordnung bei mir, ich werde morgen operiert. Die kleine Prozession verlässt mein Zimmer und wird draußen von einer aufgebrachten Stimme abgefangen.

"Das ist eine RIESEN UNVERSCHÄMTHEIT", schreit die Stimme. Er hat nur 10 Gramm Halbfettmargarine statt der erwarteten 20 Gramm Butter zum Frühstück erhalten. "Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll ich meine 2 Brötchen essen? Das reicht doch NIE!"

Eine riesige Unverschämtheit ist jedoch beispielsweise auch, was sich manch einer herauszunehmen erlaubt. Wenn ich heute noch Energie übrig habe, humple ich vielleicht zu diesem Unsympathen ins Zimmer und ersticke ihn mit einem Kissen.

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Stuhlgang I

  „Konnten Sie auf die Toilette?“, wird mein Bettnachbar von der Ärztin gefragt.

„Natürlich, ich hab mir doch die Schulter gebrochen und nicht den Fuß wie der Kollege“, sagt der Bettnachbar, während er auf mich deutet.

„Ich will wissen, ob Sie seit der OP schon Stuhlgang hatten“, bleibt die Ärztin hartnäckig.

„Ja klar, da wäre mancher Körnerfresser stolz drauf“, weiß mein Kumpel.

Mittwoch, 6. Dezember 2023

Prime

 Mein Zimmerkumpel, 66 Jahre seit 8 verrentet. Macht normalerweise nix mit dem Internet. Gut WhatsApp und TV. Und Netflix wegen der Frau - ach und natürlich Skye, er ist ein Roter. Schon immer. 

Amazon prime hat er noch, da schaut er sich aber nie etwas an, Amazon prime hat er nur weil man da Dosenbier innerhalb von 24h frei Haus geliefert bekommt und er doch keine Bierkästen mehr tragen kann.




Montag, 4. Dezember 2023

Unfall

Montag früh, wie üblich bin ich um 5:00 bei der Arbeit, heute erst um 5:03 Uhr da ich noch die Frontscheibe vom Eis befreien mußte. Bin aus dem Auto ausgestiegen und lag nach 2 Metern auf dem Boden. Der Boden ist eiskalt, ich bin auf einer Eisplatte ausgerutscht. Sauer auf mich und mein Mißgeschick versuche ich aufzustehen. Das linke Bein, der linke Fuß will nicht so richtig, deshalb stehe ich auf dem Rechten. Beim ersten Schritt liege ich wieder auf der Nase, der linke Fuß macht nicht das was ich will und steht weit nach links. Ich komme nicht hoch.

Auf dem kalten Boden liegend mache ich mir Gedanken, wer denn jetzt meinen Dienst übernehmen kann. Mein Herz rast, die Finger zittern, mir fällt ein mich um mich selbst zu kümmern und ich rufe die 112. Der Rettungsdisponent fragt die Fakten ab korrigiert meine Straßenangaben und die Hausnummer. Er schickt jemanden. 

Die Sache mit meinem Dienst ist noch immer nicht geklärt. Ich rufe den Chef an, es klingelt durch. Dann halt den Kollegen, auch da klingelt es durch aber ich sehe daß main Chef mich zurückruft. "Chef ich bin gestürzt, ich kann nicht arbeiten bitte informieren Sie den Kollegen" 
" Halte aus ich bin in 5 Minuten da"
" kein Streß, alles gut Rettungswagen kommt, ich kann halt leider nicht arbeiten." war meine heroischen Antwort 
" bin gleich da", sagt der Chef und legt auf.

Ich liege auf die rechte Seite gestützt auf dem Boden zittere. Rufe die Gattin an, die schläft aber noch. In der Ferne höre ich ein Martinshorn. Entfernt sich wieder.
Ca. 10 Minuten nach dem Sturz sehe ich einen Krankenwagen langsam suchend die Straße entlang kommen. Mit der Lampe meines Handys machen ich mich winkend auf mich aufmerksam. Die beiden Sanitäter kümmern sich um mich. Ich soll mich erst mal nicht bewegen. Bevor ich mich um ihren Fuß kümmere untersuche ich sie erst einmal. Ich werde am ganzen Körper abgetastet ob irgendwelche Verletzungen fühl oder tastbar sind. Ich soll im Rahmen meiner Möglichkeiten meine Gliedmaßen bewegen und auch sagen ob ich darin etwas fühle. Nachdem dieser Test abgeschlossen ist werde ich auf eine Trage geschoben und in den Rettungswagen gelegt. 

Angenehm warm ist es im Wagen, mir werden die Jacke und der Hoodie ausgezogen Blutdruck wird gemessen und Herzsensoren geklebt, die Temperatur gemessen 35,7 Grad ich bin leicht unterkühlt. Der Sanitäter möchte meinen Schuh aufschneiden, die Sanitäterin versucht es ganz normal mit aufschnüren, das gelingt. Mein linker Fuß wird freigelegt, vorsichtig. Ich wage einen vorsichtigen Blick und sehe einen räumlichen Versatz zwischen Unterschenkel und Fuß es sieht schmerzhaft aus. Erstaunlicherweise habe ich fast keine Schmerzen.