Mittwoch, 1. Oktober 2025

Urlaubssplitter: Siegfried

Auf meinem ersten touristischen Aufenthalt am Meer fiel es mir morgens auf:
ein hartes, metallisch-keramisches Klack, repetitiv, in kurzen Intervallen.
Es klang nach Materialprüfung im Labor – tatsächlich waren es Frühstücksgäste im Feldversuch.

Das Problem: der Salzstreuer.
Der Problemsalzstreuer.

Bruno der Problemsalzstreuer – wobei, Bruno hatten wir schon mal.
Als Problembären.
Dann vielleicht Siegfried – Siegfried der Problemsalzstreuer.
Oder eher Sickfried: sick wie krank, fried wie gebraten.
Ein krank gebratener Salzstreuer? Ich schweife ab.

Wie allgemein bekannt, ist Speisesalz hygroskopisch – es zieht Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft.
Die Folge: Agglomeration – die Kristalle ballen sich zu kompakten Verbänden,
die sich in den zu kleinen Kalibern (Ø ≈ 0,8 mm) der Auslassöffnungen verkeilen.

Oder schwäbisch gesagt:
So a Glomb – des Glomb vrglombl.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Streuoberfläche über sieben, neun oder elf Bohrungen verfügt –
sobald ein Kollektiv agglomeriert, ist der Querschnitt blockiert.

Die Standardlösung im Feld: der Klopfimpuls.
Durch definierte Schläge auf die Tischplatte
(Amplitude 2–5 mm, Frequenz 1–3 Hz, Dauer 2–7 s)
werden die Salzpartikel in Schwingung versetzt.
Erst wenn die Resonanzfrequenz der Agglomerate überschritten wird,
zerfällt der Block, und das System streut wieder.

Der optimale Klopfimpuls liegt im Bereich der DIN Ei 60068
nomen est ovolum.

Unwissende Neuankömmlinge versuchen es zunächst durch Schütteln –
bis ihnen vom Nachbartisch, mit gleichzeitigem Demonstrationsschlag, beschieden wird:
„Des missed se so macha!“

Siegfried, der Problemsalzstreuer –
welcher Sieg?
Ein Sieg über die verhinderten Salzstreuenden?

Das zuvor Gesagte betrifft vornehmlich den wilden Salzstreuer (Salinator feralis, Familie: Streuidae),
der sich – im Gegensatz zu seinem domestizierten, gewöhnlichen Haussalzstreuer (Salinator domesticus) –
fast ausschließlich Wind und Wetter trotzend,
vorzugsweise auf Hotelterrassen, in seinem natürlichen Habitat beobachten lässt.

Manch engagierter Kellner versucht,
in Umkehrung der Produktion von Gänsestopfleber,
mit Hilfe allerlei Gerätschaften und hohem Zahnstochereinsatz
die Verstopfung zu beseitigen.

Wieso solche Bohrungen, solche Löcher nicht gehohnt werden,
ist mir so rätselhaft wie ihnen der Begriff hohnen.

Und wofür steht eigentlich das fried in Siegfried?
Für Frieden – oder Friedhof?
Frieden mit dem Gast, Friedhof für den Konstrukteur des Salzstreuers.

Zurück zum Kellner:
Es bleibt meist beim guten Willen –
und der Streuer taugt nur noch als Objekt,
als Sinnbild für die Verstopfungen und Verschlüsse in unserem Leben –
Herausforderungen, die sich auch mit Sisyphos nicht lösen lassen.

Wieso also nicht Sisyphos, der Problemsalzstreuer?

Praktisch bedeutet das:
Wer ein Frühstücksei würzen will,
muss den Streuer zwischen acht und siebenunddreißig Mal
auf die Tischkante beschleunigen –
ein Vorgang, der klingt wie eine kollektive Dauerversuchsreihe.

Und am Ende stellt sich dem Hotelgast dieselbe Frage,
die schon der Dichterfürst aus Stratford bewegte:

„Salzen, oder nicht salzen – das ist hier die Frage.“

Oder, um es radikaler zu formulieren:

„Ich salze, also bin ich.“

Oder Sandro – Sandro der Problemsalzstreuer.
Was ist eigentlich mit dem Winterdienst?
Verstopfen deren Streuer nicht –
weil sie mit Sand streuen?

Dann reservieren wir Sandro eben für eventuelle Problemsandstreuer.

Und weiter:
Bin ich mir selbst genug, ein Hühnei ungesalzen, fade, zu essen?
Oder brauche ich den Kick –
meinen Blutdruck ignorierend, meinem Genuss Geltung zu verschaffen?

Vielleicht aber sollte sich am Ende einfach Arnold, der Saltinator, darum kümmern.

Und ja: He’ll be back

Hier habe ich ein Bild von Siggi, dem kleinen Verweigerer dem Racker.



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